Das Sonnenbad
von Annemarie BünteUnd auch das gab es in Dornholzhausen:
Um 1900 gab es eine Bewegung zur ganzheitlichen Lebensreform. Dem Prunk und Protz des wilhelminischen Zeitalters setzte die Jugend, vor allem Studenten und Gymnasiasten, ein neues Ideal entgegen. Das war die Zeit des Jugendstils, der Freidenkerei, des Wandervogels mit der blauen Blume der Romantik, der Reformkost, Reformkleidung usw., usw. In diesen Zusammenhang gehören zwei Unternehmungen, die sich am Rande Dornholzhausens etablierten. Nun sollte man denken, unsere Waldenser hätten Verständnis für Menschen gehabt, die nicht mit der Mehrheit der Bevölkerung konform gehen wollten. Aber nein: Für die neuen Nachbarn hatten sie den stehenden Ausdruck: Grasfresser, Nackttänzer, Ehebrecher.
Plakat "Sauerbrei's Sonnenbad"
Das ältere Projekt war das Sonnenbad in der Victor-Achard-Straße, ein Wiesengrundstück mit einigen Bäumen und Büschen und einem kleinen Naturteich. Finanziert wurde es vom Reformhaus Freya, Frankfurt, und dem Bund Orplid mit Professor Kelch und war eine der ersten und schönsten FKK-Anlagen in Deutschland. Die letzten Zeitzeugen berichten noch heute mit leuchtenden Augen, wie glücklich sie waren, als sie mit der ganzen Familie jede freie Minute dort in der guten Taunusluft und ohne beengende Bekleidung mit Gleichgesinnten verbrachten. Man erfrischte sich durch Schwimmen in dem von einem Bächlein gespeisten Teich und ließ sich an der Luft trocknen. Es gab kleine Holzbuden zum Umkleiden und Gelegenheit zu Sport und Spiel. Das ganze Gelände, 15.024 qm, war von einem Bretterzaun umgeben. Dass kleine Buben und „besonders sittenstrenge“ Bürger immer mal versuchten, einen Blick auf das befremdliche, fröhliche Treiben zu erhaschen, versteht sich von selbst. Werbung für dieses Luft- und Sonnenbad finden wir im „Taunusboten“ ab 1908. Damals taufte die Gemeinde Dornholzhausen die sog. „kleine Straße“ in Sonnenbadstraße um. Wie sich denken lässt, wurde unter Hitler der FKK-Club aufgelöst. Heute ist das Gelände Privatbesitz. Zu dieser Lebensreform gehörte auch eine Siedlerbewegung. 1919 hielt Landrat v. Marx eine Rede, in der er es als eine wichtige, sozialpolitische Aufgabe bezeichnete, dem kleinen Mann ein eigenes Heim und eigenes Land zu geben. Die Sonnenbadstraße, siehe oben, wurde 1925 in Victor-Achard-Straße umbenannt und dort, wo jetzt die Straße „Altes Sonnenbad“ ist, entstand die „Siedlung Neuland“.
Der Architekt Hugo Brosius aus Ostpreußen, der etwas Kapital aus dem Zigarrengeschäft seiner Frau zur Verfügung hatte, traf also bei der Stadt Bad Homburg auf offene Ohren. Auf Tagungen und Freizeiten fand er Siedlungswillige verschiedener Herkunft, die sich von ihm begeistern ließen. Menschen, die im Einklang mit den guten Kräften der Natur ein - wenn auch bescheidenes - Leben führen wollten. Auf einem Wiesbadener Exerzierplatz kauften sie eine Baracke, 25×10 m groß und richteten in ihr eine Süßmosterei, eine Handweberei und einige Kleinwohnungen ein für die, bei denen es nicht zu einem Eigenheim reichte. Es gab aber Differenzen über den Führungsstil in der Siedlung und ein Mann, von Eifersucht verblendet, steckte in der Nacht vor dem Heiligen Abend 1938 die Baracke an. Das Holzgebäude brannte bis auf den Erdboden ab. Der „Taunusbote“ berichtet, dass sofort die Dornholzhäuser Einwohner und besonders ihre Haushaltsschule „Taunusblick“ den Unglücklichen Kleider und Geld brachten. Da der Konkurrent von Herrn Brosius als einziger seine Kleider und sein Werkzeug gerettet hatte, war er schnell als Brandstifter entlarvt.
Der Architekt Hugo Brosius aus Ostpreußen, der etwas Kapital aus dem Zigarrengeschäft seiner Frau zur Verfügung hatte, traf also bei der Stadt Bad Homburg auf offene Ohren. Auf Tagungen und Freizeiten fand er Siedlungswillige verschiedener Herkunft, die sich von ihm begeistern ließen. Menschen, die im Einklang mit den guten Kräften der Natur ein - wenn auch bescheidenes - Leben führen wollten. Auf einem Wiesbadener Exerzierplatz kauften sie eine Baracke, 25×10 m groß und richteten in ihr eine Süßmosterei, eine Handweberei und einige Kleinwohnungen ein für die, bei denen es nicht zu einem Eigenheim reichte. Es gab aber Differenzen über den Führungsstil in der Siedlung und ein Mann, von Eifersucht verblendet, steckte in der Nacht vor dem Heiligen Abend 1938 die Baracke an. Das Holzgebäude brannte bis auf den Erdboden ab. Der „Taunusbote“ berichtet, dass sofort die Dornholzhäuser Einwohner und besonders ihre Haushaltsschule „Taunusblick“ den Unglücklichen Kleider und Geld brachten. Da der Konkurrent von Herrn Brosius als einziger seine Kleider und sein Werkzeug gerettet hatte, war er schnell als Brandstifter entlarvt.
Hütte der Siedlung "Neuland"
Mit diesem Brand war die Lebensgrundlage der „Siedlung Neuland“ zerschlagen. Der karge Boden des alten „Dürreholzhusin“, der schon vor 200 Jahren den Waldensern kein Wohlleben geschenkt hatte, zwang sie, neben der Arbeit im Gemüsegarten einem bürgerlichen Beruf nachzugehen. Sie blieben aber ihren Idealen treu. Beim Säen und Ernten achteten sie auf den Stand der Gestirne und blieben Vegetarier oder sogar Veganer (auch kein Ei und keine Milch). Aus diesem Kreis entwickelte sich dann auch das älteren Homburgern bis in die späten 70er Jahre bekannte Kunstgewerbegeschäft Preikschat in der Louisenstraße 89 und der bis in die 80er Jahre wirkende Singkreis von Willi Schilling. Dort wurde das alte Volksliedgut gepflegt, an Fasching standen die Fastnachtsspiele von Hans Sachs auf dem Programm, Sommersonnenwende und Waldweihnacht wurden gefeiert.
Die jetzt altgewordenen letzten Zeitzeugen geben zu, dass sie ihre Ideale nicht verwirklichen konnten, aber doch eine sehr schöne Zeit am Rande Dornholzhausens hatten.
Die jetzt altgewordenen letzten Zeitzeugen geben zu, dass sie ihre Ideale nicht verwirklichen konnten, aber doch eine sehr schöne Zeit am Rande Dornholzhausens hatten.